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Bi Bi Ki®

Bindung und Bildung in der Kindertagesbetreuung

Kinder entwickeln sich in Beziehungen. Bindung und Lernen gehören daher in der
frühen Kindheit zwingend zusammen.

Bindung und Bildung in der frühen Kindheit

Kinder entwickeln sich in Beziehungen. Bindung und Lernen gehören daher in der frühen Kindheit zwingend zusammen. Ziel der Bi Bi Ki®-Weiterbildung ist es, im Frühbereich tätige Fachkräfte für Besonderheiten in der frühkindlichen Entwicklung zu sensibilisieren und ihnen konkret Unterstützung beim Aufbau einer tragfähigen Beziehung zu den von ihnen betreuten Säuglingen, Klein- und Kindergartenkindern zu geben. So wird die frühkindliche Bindung und Bildung unterstützt.

Die dreitägige Bi Bi Ki®-Weiterbildung für Mitarbeiter:innen in Kindertagesstätten sowie Tageseltern wurde von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie (Prof. Dr. Ute Ziegenhain, Dr. Anne Katrin Künster und Annabel Zwönitzer) und dem Krüger & Thiel Institut für Entwicklung und Kommunikation (Katrin Krüger, Monika Thiel) mit Förderung von und in Kooperation mit der Winzig Stiftung – kleine Hilfen für gelingende Leben (Rüdiger Theis) entwickelt und erfolgreich erprobt.

Weiterbildung Bi Bi Ki®

Ziel der Weiterbildung:

Fachkräfte, die Säuglinge, Klein- und Kindergartenkinder betreuen, beim Aufbau von tragfähigen Beziehungen zu den von ihnen betreuten Kinder pragmatisch unterstützen, damit Bindung und Bildung Hand in Hand gehen.

Bi Bi Ki-Weiterbildung geeignet für: Mitarbeiter:innen in Kindertagestätten sowie Tagesmütter und Tagesväter

Dauer der Bi Bi Ki®-Weiterbildung:

  • 3 Tage (1×2 Tage sowie in einem Abstand von etwa zwei Monaten ein weiterer Tag)
  • 24 Unterrichtseinheiten
  • Gesamtzeitraum: ca. 2 Monate

Inhalte der Bi Bi Ki®-Weiterbildung:

  • Theoretische Grundlagen: Entwicklungspsychologie in der frühen Kindheit, Bindungstheorie, Zusammenhang von Bindung und Bildung und damit verbunden neuere Erkenntnisse zum Lernen in der frühen Kindheit als gemeinsamer Entwicklungsprozess im Alltag zwischen Kind und Bezugsperson
  • Transfer in die Praxis durch Filmbeispiele, Fallvignetten, Übungsanteile, Reflexion eigener Erfahrungen und des eigenen Verhaltens im Betreuungsalltag
  • Handlungskompetenzen: Gesprächsführung mit Eltern („schwierige/kritische“ Elterngespräche), Handlungskompetenzen, die unmittelbar im Alltag mit dem Kind und zwar mit jedem einzelnen Kind in seinen individuellen Unterschieden und Besonderheiten, umgesetzt und angewendet werden können (z. B. Eingewöhnung, Umgang mit Konflikten zwischen den Kindern, Umgang mit „schwierigen“ Kindern)

Hintergrund zu Bi Bi Ki®

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern haben sich in den vergangenen 50 Jahren in vielerlei Hinsicht geändert. Zu diesen Veränderungen gehören demographische Veränderungen mit einer sinkenden Zahl von Geburten, aber auch ein hoher Anteil nichtehelicher Geburten, eine steigende Scheidungsquote und damit verbunden eine vermehrte Anzahl von Alleinerziehenden bzw. Stieffamilien. In diesem Zusammenhang ist die familienergänzende Tagesbetreuung von Kindern in Kindertagesstätten ein wichtiger Faktor in der Unterstützung junger Familien und der kindlichen Entwicklung geworden. Die Familienpolitik trägt diesem Umstand u. a. mit dem Rechtsanspruch für die Betreuung von unter Dreijährigen (TAG, KiFöG) Rechnung. Aus dieser veränderten Ausgangslage dürfte sich die gewachsene Verantwortungsübernahme der Politik und der Gesellschaft für das Aufwachsen von Kindern erklären lassen. Dadurch wird jedoch die Frage nach der Qualität in der außerfamiliären Betreuung immer bedeutsamer.
Kommunen sehen sich derzeit häufig alleingelassen mit der schwierigen Herausforderung, in kurzer Zeit zahlreiche Betreuungsplätze zu schaffen, die den Ansprüchen an eine hohe Qualität im Sinne von Bildung, Erziehung und Betreuung gerecht werden. Häufig fehlen gut qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher und finanzielle Ressourcen.
Positiv zu beobachten sind dennoch die großen Bemühungen der letzten Jahre um eine frühe Förderung von Kindern in Kindertagesstätten. Zahlreiche Förderprogramme für die frühe Kindheit wurden entwickelt und erprobt. Häufig geht es bei diesen Ansätzen um einzelne Aspekte in der Förderung wie etwa um Sprachförderung oder die Förderung früher Medienkompetenzen. Hierbei entsteht immer wieder der Eindruck, dass die Förderung in der Kindheit häufig eher punktuell bzw. modular gesehen wird und Kinder nicht immer ganzheitlich betrachtet werden. Der zentrale Aspekt, dass Kinder nur in Beziehungen wirklich lernen, bleibt bei einem Großteil der Förderansätze außen vor.
Zunehmend wird darüber hinaus in der Kindergartenpädagogik die Bedeutung neuerer Erkenntnisse zum gelingenden Lernen in der frühen Kindheit erkannt. Es geht um die so genannte Ko-Konstruktion zur Stärkung kindlicher Entwicklung und kindlicher Kompetenzen. Darunter lässt sich Lernen und Entwicklung im gemeinsamen Alltag zwischen Kind und Erzieherin bzw. Erzieher beschreiben.

Allerdings wird dabei die Bedeutung von Bindung, also die Beziehungen, die Kinder zu ihren engsten Bezugspersonen und somit auch zu ihren Erzieherinnen und Erziehern entwickeln, oft nicht systematisch berücksichtigt und kaum in die Förderprogramme integriert. Bindung lässt sich als Bindeglied zwischen den unterschiedlichsten Ansätzen und Schwerpunkten zur frühen Förderung im Sinne einer gemeinsamen Basis auffassen. Eine verlässliche und vertrauensvolle Bindung des Kindes mit einer nahestehenden Bezugsperson ist die Grundlage und Voraussetzung für Lernen und dafür, dass Kinder von spezifischen Förderansätzen profitieren können.
Tatsächlich ist die Bedeutung früher und enger Beziehungen für die spätere sozial-emotionale und Persönlichkeitsentwicklung eine der Kernthesen der ethologischen Bindungstheorie. Zahlreiche Forschungsergebnisse belegten Zusammenhänge zwischen sicherer Bindung und wünschenswerten sozial-emotionalen und sozial-kognitiven Kompetenzen, wie sie sich in sozialen Situationen, aber auch bei kognitiven Anforderungen zeigten. Hierzu gehören z.B. Empathie, soziale Fähigkeiten beim Aufbau und im Erhalt von Freundschaften mit Gleichaltrigen, konstruktiver Umgang mit Konflikten oder Beliebtheit bei Gleichaltrigen, autonomes und zielorientiertes Verhalten oder Flexibilität, Ausdauer und Frustrationstoleranz. Obwohl weniger im Zentrum bindungstheoretischer Forschung, fanden sich auch Belege für den Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und kognitiven Leistungen wie Schulerfolg oder sprachlichen Kompetenzen, jenseits von allgemeiner Intelligenz. Des Weiteren ließen sich künftige Verhaltensauffälligkeiten von Kindern bzw. Indikatoren für eine einen späteren psychopathologischen Entwicklungsverlauf insbesondere bei so genannten hochunsicheren frühen Bindungen voraussagen.
Kinder mit positiven Beziehungserfahrungen haben also Entwicklungsvorteile. Deren Bedeutung für die klinische und sozialpädagogische Praxis wurde in den Vergangenen Jahren zunehmend anerkannt. Dies zeigt sich zum Beispiel in mehreren neuen Ansätzen zur Förderung und Verbesserung elterlicher Beziehungs- und Erziehungskompetenten, die im Rahmen therapeutischer Kontexte im Gesundheitssystem und in jüngerer Zeit in der Folge der Initiativen zu Frühen Hilfen und Kinderschutz auch in der Kinder- und Jugendhilfe etabliert wurden.
Demgegenüber wurden im deutschsprachigen Raum mögliche Vorteile positiver Beziehungserfahrungen für die kognitive Entwicklung etwa im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Bildungskarriere bisher kaum diskutiert; Ansätze, in denen das Wissen um die Bedeutung emotionaler Sicherheit und persönlichen Engagements in Lernkontexten systematisch umgesetzt wird, finden sich wenig. Bislang sind Bindung und Bildung also weitgehend unintegrierte Konzepte.
Eine beobachtbare Psychopathologie aber spielt im Rahmen beider Konzepte im Zusammenhang von Anpassungsproblemen und scheiternden Erziehungsverläufen eine Rolle. Bislang wurde kaum der Versuch unternommen, Bezüge herzustellen und die drei Aspekte Bindung, Bildung und Entwicklungspsychopathologie systematisch zu integrieren. Dabei lassen sich Bindung und Bildung im Sinne eines schulischen Explorations- und Neugierverhaltens durchaus als verwandte Konstrukte interpretieren. Die Bedeutung von Bindung für den Bildungserfolg lässt sich aus dem biologisch begründeten Zusammenspiel zwischen positiven Bindungserfahrungen und Interesse an Erkundung und Exploration herleiten. Bei emotionaler Verunsicherung (z.B. durch Trennung und Scheidung) zeigt sich dieses Zusammenspiel nicht selten in Form von Leistungseinbrüchen in der Schule. Von klinischer Relevanz in diesem Zusammenspiel ist besonders die Situation von Kindern, die in sehr kritischen Beziehungskonstellationen aufwachsen. Diese Kinder mit häufig vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten haben oft dauerhafte schulische Leistungsprobleme und scheitern häufig in unserem Bildungssystem.
Ein Konzept wie Bi Bi Ki® zur Beziehungsförderung von Erzieherinnen und Erziehern trägt dazu bei, die in Kindertagesstätten bereits realisierten Konzepte abzusichern und ihre Wirksamkeit gezielt zu verbessern.